Endlich konnte am Sonntag wieder das traditionelle Herbstkonzert des Zweibrücker Kammerorchesters in der Alexanderskirche stattfinden. Das ließen sich gut 200 Musikfreunde nicht nehmen und waren schnell begeistert. „Wohltemperiert“, wie versprochen, war die Kirche zwar nicht, dafür aber die Musik sehr wohl.
Dass man auch mit Amateurmusikern klassische Musik auf hohem Niveau anbieten kann, zeigte einmal mehr das Zweibrücker Kammerorchester. Dessen Leiter Walther Theisohn hatte für ein Konzert in der Karlskirche mit dem Profimusiker Sebastian Wehrfritz einen Sohn der Stadt engagieren können. Der 1989 hier geborene Musiker spielt gleichermaßen Geige und Klavier auf höchstem Niveau. Schon als 16-Jähriger studierte er an der Saarbrücker Musikhochschule, seit einiger Zeit lebt er als Musiklehrer bei St. Gallen in der Schweiz.
„Ich habe mich direkt nach dem Studium bei der Kantonsschule beworben und die Stelle bekommen“, erzählte Wehrfritz am Rande des Konzerts. Da er hauptsächlich Klavierunterricht gibt, sei ihm dieses Instrument derzeit etwas näher. Aber die Geige spiele er natürlich auch noch sehr gerne.
Das war spürbar beim Kammerkonzert, das mit zwei Beethoven-Romanzen für Violine und Orchester begann. Überhaupt, Beethoven – den hatte Theisohn als Ausblick aufs nächste Jahr ins Programm genommen, dann wird der 250. Geburtstag des großen Komponisten gefeiert. Im kommenden Jahr werde man dann eher keinen Beethoven spielen, meinte der Dirigent, zu diesem Zeitpunkt werde man wohl schon genug Beethoven gehört haben.
Auch das dritte Stück des Konzerts hatte einen Bezug zu Beethoven, allerdings einen außergewöhnlichen. Die Sinfonie C-Dur von Friedrich Witt, auch Jenaer Sinfonie genannt, wurde nach ihrer Entdeckung in einem Archiv ursprünglich Beethoven zugeordnet und lange unter dessen Namen aufgeführt. Erst 1968 wurde eine zweite Handschrift davon gefunden, dieses Mal signiert von Friedrich Witt. Obwohl die Sinfonie hohe musikalische Qualität besitzt, sonst hätte man sie kaum Beethoven zugeordnet, wird sie seit der Änderung ihrer Autorenschaft seltener gespielt – was tief blicken lässt ins Denken mancher Repertoire-Zusammensteller. Umso lobenswerter, dass Theisohn in diesem Fall nicht allein auf den Namen geachtet hatte. Das Kammerorchester spielte beschwingt durch die insgesamt heitere Sinfonie.
Nach der Pause wechselte Wehrfritz dann an den Flügel. Das Klavierkonzert Nr. 4, op. 58 von Ludwig van Beethoven gehört zu Theisohns Lieblingsstücken. Das Klavier ist dabei gar nicht so weit im Vordergrund wie bei anderen Klavierkonzerten, sondern befindet sich im ständigen Dialog mit dem Orchester. Mit Wehrfritz zusammen hatte das Kammerorchester nur zweimal proben können. Ansonsten mussten sich die Musiker bei den Proben den Solopart eben dazu denken – oder die moderne Technik nutzen.
„Man kann zuhause auch ein Tablet auf den Notenständer legen, das den Dirigenten zeigt, und dazu mitspielen – das hat unschätzbare Vorteile im Vergleich zu früher“, sagte Theisohn. Es sei trotzdem ein „ganz schöner Brocken“ gewesen, dieses Programm einzustudieren. Erst Anfang September habe man damit angefangen.
Ohne die Unterstützung des Lions Clubs und der Welter-Stiftung sei das Konzert nicht durchführbar gewesen, stellte Theisohn klar. Für die Aufführung wurde das Kammerorchester punktuell mit Freunden und Bekannten verstärkt. Theisohn legt Wert darauf, dass er keine Profis „einkaufen“ müsse für die Aufführungen seines Orchesters. Auffüllen konnte er auch mit Schülern der städtischen Herzog-Christian-Musikschule, deren Leiter er ist. Allerdings beklagte er, dass viele junge Leute nicht dazu bereit seien, einen Abend in der Woche dem Orchester zu widmen. Zuverlässiger Nachwuchs ist also willkommen beim Zweibrücker Kammerorchester. Das Konzert war im Übrigen eine gute Werbung dafür, gab es doch am Ende Standing Ovations der 150 Zuhörer für eine ganz starke Darbietung.
Sebastian Dingler im "Pfälzischen Merkur" vom 26.11.2019